Wie alles begann
Woher ich kam
Seit meiner Schulzeit bis zum Ende meines Studiums war ich der „ehrgeizige“ Typ. Alle Lehrer lobten stets meinen Fleiß, meinen Ehrgeiz, meine Ausdauer und meine allgemein hohe Arbeitsmoral. Obwohl ich mich mündlich so gut wie nie am Unterricht beteiligte, hatte ich immer gute Noten.
Ich habe immer 120% gegeben.
Ich war bei einer Klausur immer die letzte, die noch da saß und die Mittagspause der armen Lehrer verkürzte. Die letzten Meter waren für mich immer die schlimmsten.
Ich habe da nämlich noch eine – an sich sehr lobenswerte – Eigenschaft: ich bin gründlich und verbissen.
Sisyphus-Arbeit?
Für mich kein Thema. Ich bin detail-versessen.
Ich gehe erst, wenn die Arbeit erledigt ist.
Essen? Schlafen? Trinken? Auf’s Klo gehen?
Das wurde solange unterdrückt und ausgehalten, wie das Gehirn noch ansatzweise funktionsfähig war…
Mein größter Stolperstein
Meine 120% haben am Ende der Schulzeit aber nicht mehr wirklich gereicht, um meine mangelnde mündliche Mitarbeit (#introvert) und meine fehlenden Lernstrategien auszugleichen. Ja, ich hab’s tatsächlich mit guten Noten bis in die Oberstufe geschafft, bis mir aufleuchtete, warum ich trotz meiner Wissbegier, meines Eifers, meiner schnellen Auffassungsgabe und hunderten von Büchern (Hesse, Th. Mann, Nietzsche, Schopenhauer, Kant, C. G. Jung u.v.m.), die ich gelesen hatte, nicht „sehr gute“ Noten hatte.
Da löste sich auch der nervige Knoten, der ewige Widerspruch im Kopf, dass ich mich einerseits schon als Kleinkind als „intelligent“ wahrgenommen hatte, andererseits aber Mitschüler, die definitiv nicht sehr intelligent waren, zum Teil bessere Noten hatten als ich. Es war so einfach wie ernüchternd und zu spät: der Grund war meine (nicht vorhandene) Lernmethode.
Warum schreibe ich das hier so ausführlich?
Nein, nicht weil ich damit angeben möchte. Und auch nicht, um mich demonstrativ klein zu machen. Sondern weil es ein zentraler Punkt für den Verlauf der letzten Jahre meines Lebens ist und der Grund, weshalb ich größtenteils mit großem Bedauern auf sie zurückblicke.
Mit „mangelnder Lernmethode“ meine ich zwei Dinge, die beide mit meiner:
- 1. meine Unfähigkeit, Gelesenes mit eigenen Worten zusammenzufassen
- und 2. meinem Unwillen dasselbe mittels der Methode des Fragenstellens zu tun.
- Wie man sich besser merkt was man liest.
- Wie man besser schreibt.
- Und wie man Struktur in sein Denken und Schreiben (und Leben) bringt.
Das ist alles. As simple as that.
DAS ist der größte Stolperstein meines Lebens.
Um genau zu sein, bin ich in der Mittelstufe „gestolpert“ über diese Anweisung meiner geschätzten Lehrer und habe sie ignoriert — aus purer Ignoranz: ich dachte, meine „Methode“ sei besser.
Warum sollte ich „Zeit verschwenden“ Absätze in eigenen Worten zusammenzufassen, wenn ich stattdessen einfach den gesamten Text auswendig lernen konnte?
Dadurch, dass ich die Begabung habe, in kurzer Zeit mehrere Seiten Text auswendig zu lernen, habe ich mich nicht damit abgemüht, das Gelesene zu verdauen und in eigenen Worten wiederzugeben.
So baut man Schritt für Schritt aus einzelnen Wissensbausteinen ein immer filigraner werdendes, buntes, individuelles Wissens-Gebäude. Hat man das verstanden, kann man beliebig viele Informationen in Nullkommanix abspeichern. Und je mehr man weiß, umso mehr Andockstellen in Form von Vorwissen, gibt es und umso schneller kann man sich neues Wissen aneignen.
Das, was ich machte, nennt man so schön „Bulimie-Lernen“. Rein und wieder raus.
Da kann man noch so intelligent sein und noch so viele Bücher lesen und passives Wissen anhäufen — man kann sich bei Bedarf nicht mehr gedanklich damit auseinandersetzen und es werden keine neuen, fruchtbaren Gedanken angestoßen.
So hatte ich 8 Jahre lang geplant einen Blog zu machen, aber es durch meine unstrukturierte Art zu schreiben und meine Unfähigkeit das Wissen aus gelesenen Büchern in eigenen Worten unters Volk zu bringen, nie zu hilfreichen oder inspirierenden (oder überhaupt welchen) Beiträgen geschafft.
In den letzten Jahren habe ich mich dann nur noch mit den Themen befasst,
Dieser Blog ist nun gleichzeitig die Verwirklichung meines Herzenswunsches und die Probe aufs Exempel.
Doch ich greife vor, daher erst ein paar Schritte zurück:
Neurotische Zwänge
Unter anderen Umständen (wenn ich gelernt hätte, Texte in eigenen Worten zusammenzufassen und so auch den Inhalt eines Textes schneller und besser zu erfassen), wäre ich mit meinen beiden hervorstechendsten Charaktereigenschaften: Gründlichkeit und Perfektionismus, weit gekommen.
So hatte ich jedoch erst recht große Schwierigkeiten in Fächern wie Deutsch und Geschichte rechtzeitig „zum Ende“ zu kommen. Wenn ich Texte analysiert habe, dann Wort für Wort, Komma für Komma… Meine Analysen wurden zwar immer gelobt, jedoch bekam ich keine 15 Punkte mehr.
Ich hatte einfach „nie genug Zeit“ für die letzte und anspruchsvollste Aufgabe.
Während des Studiums hatte ich mit den Klausuren trotz allem erstmal keine Probleme, weil ich die Themen vorher schon kannte und zum Teil ganze Analysen zu Hause vorbereiten und auswendig lernen konnte.
Allerdings machten mir zwei weitere Eigenschaft das Leben schwer: 1. meine Unfähigkeit, Aufgaben, die nicht vollendet oder „perfekt“ erledigt waren, zu unterbrechen.
Nicht, weil ich so unfähig war oder mit dem Stoff überfordert. Im Gegenteil. Schon der erste Entwurf des Inhaltsverzeichnisses glich vom Anspruch her der Einleitung einer Doktorarbeit (so der Kommentar meines Professors).
2. Es machte mich wahnsinnig, kürzen und ein Thema auf einen einzelnen Aspekt beschränken zu müssen (immerhin das ganze Ziel einer Hausarbeit).
Diagnose: chronischer Zeitmangel
Folgende Punkte waren letztlich dafür verantwortlich, dass mein Leben 10 Jahre lang von Stress, Angst und einem starken inneren Unruhegefühl geprägt war: